Upload-Filter – Gefahr für das freie Internet?

Schon seit einigen Jahren wird eine Debatte über die Reform des Urheberrechts in der Europäischen Union geführt. Neben dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger, steht vor allem Artikel 17 (früher Artikel 13) in der Kritik, der Internetplattformen verpflichten soll, sogenannte Upload-Filter einzusetzen. Während Befürworter diese Technologie als unerlässlich ansehen, um die Beachtung des Urheberrechts an Filmen, Musik und Texten zu gewährleisten, befürchten Gegner des Gesetzes eine Schwächung der Netzkultur und des Rechts auf freie Meinungsäußerung – mit unabsehbaren Folgen. Doch was sind Upload-Filter eigentlich und wie funktionieren sie? Wo sind sie bereits im Einsatz und warum erhitzen sie die Gemüter in solchem Ausmaß?

Der aktuelle Stand: EU beschließt Upload-Filter

Allem Protest zum Trotz hat das EU-Parlament am 26.03.2019 die Einführung der Urheberrechtsreform beschlossen. Noch kurz davor hatten Gegner der Reform versucht, durch öffentliche Proteste die Meinung des Parlaments zu ändern: Am Wochenende zuvor haben europaweit Demonstrationen stattgefunden. Allein in Deutschland sind mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen. Ebenfalls in der vorangegangenen Woche hatten die deutschen Wikipedia-Autoren mit ihrem Prostest für Aufsehen gesorgt: Für einen kompletten Tag war die deutsche Version der Enzyklopädie nicht zu erreichen. Stattdessen wies eine Informationsseite auf den Protest hin. Am Ende brachte alles nichts: 384 Abgeordnete stimmten dafür, 274 dagegen, 36 Abgeordnete enthielten sich.

Damit ist auch Artikel 17 beschlossen, welcher sich mit der Filterung von Inhalten befasst, früher Artikel 13 hieß und unter diesem Namen auch heute noch bekannt ist. Upload-Filter sieht die Richtlinie zwar explizit nicht vor, aber die Formulierungen lassen kaum eine andere Möglichkeit zu. Es wird gefordert, dass Plattform-Betreiber bereits vor Veröffentlichung von Videos, Musik oder Bildern die Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen überprüfen. Ansonsten machen sich von nun an auch die Betreiber haftbar für die Verstöße. Theoretisch wäre es zwar auch denkbar, jeden Beitrag von per Hand zu überprüfen, doch das halten Kritiker besonders bei größeren Anbietern wie YouTube für utopisch.

Ausnahmen gelten für Online-Enzyklopädien (allen voran die Wikipedia) oder andere bildungsbezogene Angebote, Plattformen zur Entwicklung von Open-Source-Software, sowie Dienste, die noch keine drei Jahre verfügbar sind oder unter zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr machen.

Was Anbieter wie Google oder Facebook nun unternehmen werden, wird die Zeit zeigen. Zunächst muss der Europäische Rat der Reform noch zustimmen. Hier geht aber niemand von einer Überraschung aus, da es sich eigentlich nur noch um eine Formsache handelt. Anfang April soll dies geschehen. Danach muss die Richtlinie noch in nationales Recht umgesetzt werden. Die EU-Mitglieder haben zwei Jahre Zeit, um die Reform in ihre jeweiligen Gesetze zu übernehmen.

Was bisher geschah: Diskussion um EU-Urheberrechtsreform

Upload-Filter wurden lange Zeit auf europäischer Ebene diskutiert, da diese im Zuge des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt eine Rolle spielen könnten. Im Juli 2018 hatte das Europäische Parlament einen entsprechenden Gesetzesentwurf noch abgelehnt. Am 12. September 2018 wurde eine neue Version des Entwurfes zur Abstimmung gebracht, in der die Bestimmungen nur noch für große Anbieter gelten sollen und kleine Anbieter aber verschont bleiben. Ebenfalls sollen Online-Enzyklopädien wie die Wikipedia von der verpflichtenden Überprüfung der Inhalte befreit sein.

Im Kontext von Upload-Filtern ist besonders Artikel 13 interessant (welcher in der Endfassung schließlich Artikel 17 ist), auch wenn dort und an keiner anderen Stelle der Begriff genannt wird. Das EU-Parlament schreibt den Betreibern von Online-Plattformen nicht vor, wie sie die Wahrung des Urheberrechts sicherstellen sollen. Doch Kritiker und Beobachter gehen davon aus, dass es keine andere Möglichkeit gibt: Plattformen müssen dem Entwurf folgend schon vor Veröffentlichung des entsprechenden Beitrags den Inhalt auf Verstöße gegen das Urheberrecht überprüfen. Aufgrund des enormen Datenaufkommens ist dies praktisch nur mit automatisierten Upload-Filtern möglich.

In einer erneuten Abstimmung hatte das EU-Parlament den Gesetzesentwurf mit 438 Stimmen (bei 226 Gegenstimmen und 39 Enthaltungen) angenommen. Der Entwurf wurde dann im sogenannten Trilog weiter beraten: Hier verhandelten Vertreter des EU-Parlaments mit Abgesandten der EU-Kommissionen und des Rates der Mitgliedsländer über eine finale Version.

Am Tag der Abstimmung hat die EU-Kommission eine weitere Richtlinie vorgelegt, in der Upload-Filter eine entscheidende Rolle spielen können: Im Zuge der Terrorismus-Bekämpfung sollen Internet-Plattformen gezwungen werden, alle Inhalte auf Terrorpropaganda hin zu untersuchen. In der Verordnung nicht enthalten: eine Ausnahme für kleine Websitebetreiber oder Open-Source-Angebote. Demnach wäre über diese Richtlinie am Ende doch der flächendeckende Einsatz von Upload-Filtern notwendig.

Was ist ein Upload-Filter?

Ein Upload-Filter ist ein automatisiertes Computerprogramm, das Daten beim Hochladen ins Internet oder vorm Veröffentlichen auf einer Plattform scannt und nach gewissen Kriterien überprüft. Stellt das Programm fest, dass ein Inhalt nicht mit den zuvor definierten Regeln übereinstimmt, wird der betreffende Content gesperrt, der Nutzer am Upload gehindert oder der Inhalt insoweit angepasst, dass er keine Verletzung der Regeln mehr darstellt. Upload-Filter können entweder auf einzelnen Websites oder Apps installiert sein, aber auch von Webhostern oder dem jeweiligen Internetprovider des Nutzers verwendet werden. Sie lassen sich unter anderem zu folgenden Zwecken einsetzen:

  • Eindämmen von extremistischen und kriminellen Inhalten
  • Begrenzen von Falschmeldungen, Beleidigungen und Cybermobbing
  • Filtern von pornografischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten
  • Identifizieren von urheberrechtlich geschütztem Material
  • Bei missbräuchlicher Verwendung ist Zensur möglich

Wie funktionieren Upload-Filter?

Um einen Upload-Filter betreiben zu können, werden zwei Komponenten benötigt. Unverzichtbar ist eine Datenbank mit unzulässigen Daten – im Falle des geplanten EU-Gesetzes also urheberrechtlich geschütztem Material. Dieses wird in Form von Hash-Werten gespeichert.

Fakt

Hash-Werte sind kurze Buchstaben- und Zeichenfolgen, die durch eine mathematische Funktion aus dem Ausgangsmaterial erzeugt werden. Aus dem gleichen Ausgangsmaterial entsteht stets der gleiche Hash-Wert – umgekehrt ist es aber nicht möglich, aus dem Hash-Wert auf das Ausgangsmaterial zu schließen. Hash-Werte finden unter anderem beim Speichern von Passwörtern Anwendung.

Ein Algorithmus vergleicht die Hash-Werte des urheberrechtlich geschützten Materials mit denen der hochgeladenen Daten. Findet er eine Überschneidung, verhindert er den Upload der Datei. Doch nicht nur bei komplett identischen oder sehr ähnlichen Dateien werden Upload-Filter aktiv. Sie können mittels Methoden des Machine Learning (Englisch für „maschinelles Lernen“) auch einzelne Bestandteile in einem Bild, einem Film, einem Musikstück oder einem Text erkennen. Auch die Abstrahierung von zugrundeliegenden Dateien ist bereits in gewissem Maße möglich – so sind Algorithmen beispielsweise in der Lage, aus einer Datenbank von Katzenbildern zu lernen, wie eine Katze aussieht und dann auch neue Katzenbilder zu erkennen, die bislang nicht in der Datenbank gespeichert waren.

Wo werden Upload-Filter bereits genutzt?

Die Verpflichtung, flächendeckend Upload-Filter einzuführen, wäre ein weitreichender Schritt – allerdings verwenden gerade große Internetkonzerne diese Technik seit Jahren, um die riesigen Datenmengen zu überprüfen, die täglich auf ihren Plattformen hochgeladen werden.

YouTube

Content ID, der Upload-Filter der Videoplattform YouTube, prüft alle neu hochgeladenen Videos auf Urheberrechtsverletzungen. Wird eine solche festgestellt, haben die Eigentümer der Rechte drei Möglichkeiten:

  • Sperren: Das Video wird gelöscht und kann nicht mehr aufgerufen werden.
  • Monetarisieren: Vor dem Video wird Werbung geschaltet, die Einnahmen fließen dem Rechteinhaber zu.
  • Beobachten: Der Urheber oder Rechteinhaber wird über die Zahl der Videoaufrufe und andere Statistiken auf dem Laufenden gehalten.

Vor allem das unerlaubte Verbreiten von Spielfilmen, Serien, Liedern und Musikvideos soll damit verhindert werden. Nach Angaben von YouTube ersetzt der Algorithmus die potenzielle Arbeit von 180.000 menschlichen Prüfern.

Facebook

Das größte soziale Netzwerk nutzt Upload-Filter vor allem, um gewalttätige, nicht jugendfreie und andere anstößige Beiträge, Bilder und Videos noch vor der Veröffentlichung zu identifizieren. Um terroristische oder extremistische Inhalte zu bekämpfen, greifen Facebook, Twitter, Microsoft und YouTube auf eine gemeinsame Datenbank zurück, die in Kooperation mit der Europäischen Polizeibehörde Europol betrieben wird.

Microsoft OneDrive

Der Filehosting-Dienst durchsucht Dateien automatisch, wenn sie in die Cloud hochgeladen werden. Dieses Verfahren namens PhotoDNA dient unter anderem dem Kampf gegen Kinderpornografie. 2015 ermittelte das Bundeskriminalamt (BKA) nach einem Hinweis von Microsoft deshalb gegen einen deutschen Nutzer.

ResearchGate

Das soziale Netzwerk für wissenschaftliche Fachpublikationen musste auf Drängen der Verlage Upload-Filter einführen, um nicht genehmigte Zweitveröffentlichungen und Plagiate zu identifizieren. Der Algorithmus sollte dann entscheiden, ob die Publikationen öffentlich gemacht, nur bestimmten Forschergruppen zur Verfügung gestellt oder gelöscht werden.

Welche Kritikpunkte gibt es an Upload-Filtern?

Der Kampf gegen Kinderpornografie, Extremismus und Urheberrechtsverletzungen per Upload-Filter – was zunächst nach einer durchweg unterstützenswerten Maßnahme klingt, birgt auch einige beträchtliche Risiken, auf die Gegner des neuen EU-Urheberrechts nachdrücklich hinweisen.

Anfälligkeit für Fehler und Manipulation

Die praktische Anwendung zeigt, dass die Algorithmen noch lange nicht fehlerfrei funktionieren. Zum einen lassen sie sich verhältnismäßig leicht austricksen, um beispielsweise urheberrechtlich geschütztes Material an den Filtern vorbeizuschmuggeln. Noch bedenklicher ist jedoch, dass die Computerprogramme oftmals auch erlaubte Inhalte zensieren. So kann ein Algorithmus Parodien, Remixe und Hommagen nicht erkennen, die in der Regel vom Urheberrecht gedeckt sind. Kritiker sprechen deshalb auch von einer Einschränkung der Kunstfreiheit und einem Ende der „Meme-Kultur“: Internetphänomene wie Memes basieren häufig darauf, urheberrechtlich geschützte Bilder, Videos und Lieder in einen neuen Zusammenhang zu setzen, abzuwandeln und über das Web weiterzuverbreiten.

Außerdem wäre es möglich, dass jemand in rechtswidriger Weise urheberrechtlich geschütztes Material für sich beansprucht und in die Datenbank eintragen lässt. Eine Verbreitung der Inhalte, selbst wenn sie tatsächlich nicht urheberrechtlich geschützt sind, würde dadurch bis zur Klärung des Sachverhalts unmöglich.

Möglichkeit der Zensur

Upload-Filter schaffen gleichzeitig eine Infrastruktur, die auch zur staatlichen Informationskontrolle und Vorzensur eingesetzt werden kann. In den falschen Händen könnten Upload-Filter eine Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit begünstigen. Würden die Datenbanken beispielsweise nicht mit urheberrechtlich geschütztem Material, sondern mit unliebsamen Äußerungen und anderen Formen der Kritik an der Regierung gefüttert, könnten diese im Internet nicht mehr frei geäußert werden. Dass solche Technologien bereits in der Praxis eingesetzt werden, zeigt ein Blick auf Chinas weitgehend abgeschotteten Teil des Internets, der flächendeckend mit Upload-Filtern ausgestattet ist.

Was hat es mit der aktuellen Debatte um Upload-Filter auf sich?

Durch die Neugestaltung des Urheberrechts in der Europäischen Union sind Upload-Filter stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Insbesondere Rechteinhaber wie Verlage, Filmverleihe und die Musikindustrie fordern, ihre urheberrechtlich geschützten Werke auf digitalen Verbreitungswegen besser zu schützen und die unerlaubte Weitergabe zu unterbinden – wie dies beispielsweise bereits auf YouTube praktische Anwendung findet.

Auf der anderen Seite stehen Internetaktivisten, Bürgerrechtler, Verbände, die Wikipedia-Betreiber und kritische Stimmen aus der Politik – auch über Parteigrenzen hinweg. Sie befürworten zwar das Ziel des Gesetzes, den Schutz geistigen Eigentums, weisen aber darauf hin, dass Upload-Filter der gänzlich falsche Weg seien: Sie würden weit über das Ziel hinausschießen, seien technisch nicht ausgereift und würden eine Gefahr für das Recht auf freie Meinungsäußerung darstellen.

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