Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Die Reform des Urheberrechts in der EU ist ein hitzig diskutiertes Thema mit verhärteten Fronten. Ein wesentlicher Grund hierfür ist neben den im Gesetzentwurf enthaltenen Bestimmungen zu Upload-Filtern vor allem das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Während viele Verlage durch das neue Gesetz ihre Rechte in einem – nach ihrer Ansicht – rechtsfreien Raum wiederhergestellt sehen, befürchten Kritiker eine Einschränkung der Kommunikationsfreiheit im Internet. Nach der Bruchlandung und fehlender Mehrheiten bei der ersten Abstimmung, haben sich die EU-Staaten, die Kommission und das Parlament nun auf einen finalen Reformtext geeinigt und diesen schließlich auch beschlossen. Was hat es also mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf sich? Warum sorgt es für eine so aufgeheizte Stimmung und was sind die Argumente für und was die Argumente gegen den Gesetzesentwurf?

EU-Parlament beschließt Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Rund um die Reform des Urheberrechts (die bisherigen Regelungen zum Urheberrecht stammen aus 2001) im digitalen Binnenmarkt hat es viele – teilweise auch hitzige – Diskussionen gegeben. Im besonderen Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen dabei die Artikel 11 und 13 des Gesetzesentwurfs. Letzterer heißt inzwischen Artikel 17 und soll Onlineplattformen verpflichten, Inhalte schon vor ihrer Veröffentlichung auf Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen, was – so vermuten Kritiker – zum Einsatz von Upload-Filtern führen dürfte. Artikel 11 hingegen betrifft direkt das Leistungsschutzrecht für Presseverleger.

Der finalen Abstimmung waren große Proteste vorangegangen. Mehr als 100.000 Menschen sind gegen die Reform auf die Straße gegangen und die deutsche Wikipedia hatte für einen Tag die ihren Teil der Online-Enzyklopädie abgeschaltet. Das EU-Parlament entschied sich dennoch dafür, die Reform des Urheberrechts anzunehmen: 348 Abgeordnete stimmten dafür. Dagegen waren immerhin 274 Abgeordnete, 36 enthielten sich. Nach der Zustimmung des Europäischen Rats – eine reine Formsache – haben die Mitgliedsstaaten nun zwei Jahre Zeit die Richtlinie in nationales Recht zu übersetzen.

Was war zuvor geschehen?

Bereits im Juli 2018 hatte das EU-Parlament, begleitet von großem öffentlichem Interesse, über den Entwurf abgestimmt – und ihn abgelehnt. Nach Änderungen, die sich vor allem in der Streichung des Begriffs „Upload-Filter“ bemerkbar machen, hat das Parlament zwei Monate später erneut abgestimmt. Bei diesem zweiten Votum wurde der Entwurf mit 438 Stimmen (gegen 226 Gegenstimmen und 39 Enthaltungen) angenommen.

Damit war das Gesetz aber noch nicht beschlossen: Der Entwurf ging in die sogenannten Trilogverhandlungen. Abgesandte des EU-Parlaments, der EU-Kommission und des Rates der Mitgliedsländer hatten sich dann auf eine finale Version geeinigt. Anschließend musste der Entwurf nur noch durch das Europaparlament. Schon damals gab es lauten Protest: Mehrere Millionen Menschen hatten eine Online-Petition unterschrieben.

Fakt

Die Verhandlungen haben ergeben, dass Angebote wie Google News zukünftig zwar weiterhin auch ohne Lizenz mit Hyperlinks auf Artikel hinweisen dürfen, dafür auch einzelne Wörter oder kurze Textausschnitte einsetzen können, aber schon die Nennung der kompletten Überschrift nicht ohne Erlaubnis möglich sein soll.

Erklärung: Was ist das Leistungsschutzrecht?

Das Leistungsschutzrecht soll Verlage davor schützen, dass deren publizierte Texte oder Teile davon auf anderen Seiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Das Gesetz sieht daher vor, dass künftig Website-Betreiber einen gewissen Geldbetrag an Verlage zahlen müssen, wenn sie deren redaktionellen Inhalte aus dem Netz sammeln und auf ihrer Seite mit Überschrift oder kurzer Textvorschau („Teaser“) verlinken.

Suchen Sie beispielsweise bei Google News nach einem tagesaktuellen Geschehen, zeigt Ihnen die Suchmaschine zahlreiche Artikel unterschiedlicher Online-Zeitungen an. Diese hat der US-amerikanische Internetkonzern selbstverständlich nicht selbst verfasst, sondern die Suchmaschine findet die Texte im Netz und stellt daraus die Ihnen angezeigten Suchergebnisse zusammen. Tatsächlich kann man das auch als Vorteil für die einzelnen Zeitungsverlage werten, da die Suchergebnisse direkt auf ihre Webseiten verlinken, wodurch diese mehr Leser gewinnen und höhere Werbeeinnahmen erzielen.

Google integriert aber auch Überschriften und ganze Abschnitte des Textes in die Vorschau. Aus diesem Grund befürchten Verlage, dass zahlreichen Nutzern die Informationshäppchen in der Google-Übersicht ausreichen und sie nicht im Anschluss den kompletten Artikel auf der betreffenden Website weiterlesen. Somit würden nur Werbeeinahmen an Google fließen – ohne dass der Konzern selbst Inhalte produziert hätte.

Und neben Google gibt es unzählige weitere Seiten, die Nachrichten aus dem Internet sammeln, anteasern und verlinken. Beispiele für diese sogenannten Aggregatoren sind:

  • Yahoo News
  • Rivva
  • Newstral
  • Flipboard
  • 10000flies
  • Alle klassischen RSS-Reader
Hinweis

Das Gesetz schließt private Anwender von der kostenpflichtigen Verlinkung aus – lässt aber offen, ob mit dem Begriff „privat“ die nichtkommerzielle oder bereits die nichtöffentliche Nutzung gemeint ist. Ob sich das Leistungsschutzrecht also auch auf Blogger und Nutzer von Social-Media-Plattformen auswirkt, ist bislang nicht definiert.

Was fällt unter das Leistungsschutzrecht für Presseverleger?

Während man gegen die unerlaubte Onlineveröffentlichung ganzer Artikel unter Berufung auf das Urheberrecht vorgehen kann, gilt das nicht für die in Vorschauansichten integrierten kurzen Textpassagen und Überschriften. Bislang konnten Verlage bzw. Redakteure und Autoren daher nicht dagegen vorgehen. Genau diese Lücke soll das Leistungsschutzrecht für Presseverleger schließen. Neben den Textinhalten betrifft es übrigens auch die in den Artikeln verwendeten Vorschaubilder aus Verlagsinhalten.

Was sind die Argumente für und gegen das Leistungsschutzrecht?

Die Meinungen zum Leistungsschutzrecht gehen auseinander: Auf der einen Seite stehen mehrere Verlage und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, auf der anderen Seite ein Bündnis aus Organisationen, Verbänden, Netzaktivisten und Internetfirmen.

Das sagen die Befürworter

Viele Verlage argumentieren, dass ihr geistiges Eigentum auf den Seiten von Google und anderer Suchmaschinen nicht hinreichend geschützt sei. Anders als bei Produktionen von Musik- und Filmgesellschaften bestünde für redaktionelle Beiträge eine Schutzlücke. Diese werde von Internetportalen und Aggregatoren ausgenutzt. Sie nähmen den Verlagen wichtige Werbeeinahmen weg und seien mitverantwortlich für den rapiden Rückgang der Umsätze von Zeitungen und Zeitschriften. Dies bedrohe den unabhängigen und qualitativ hochwertigen Journalismus.

Das sagen Kritiker

Gegner des Leistungsschutzrechts merken an, dass Verlage bereits alle Möglichkeiten zur Verfügung hätten, um ihre Inhalte vor der Verwendung durch Aggregatoren zu schützen. Einerseits gelte das Urheberrecht auch für redaktionelle Texte, andererseits sei es möglich, die Aufnahme in das Google-Verzeichnis mit wenig Aufwand zu reglementieren oder ganz zu unterbinden – beispielsweise durch die Einbindung einer robots.txt-Datei auf dem Webserver.

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sei ihrer Meinung nach lediglich eine Linksteuer, von der nur große Verlage profitieren, ohne dass die tatsächlichen Urheber – nämlich die Journalisten – an den Einnahmen beteiligt würden. Die Pflicht, auch schon bei kleinen Textteilen und Überschriften Geld an die Verlage zu entrichten, schränke zudem die Informations- und Kommunikationsfreiheit ein und benachteilige kleinere Content-Hersteller wie Blogger oder freischaffende Journalisten.

Auch einige Verlage selbst wenden sich gegen das EU-weite Leistungsschutzrecht: Sie sehen in Google und anderen Aggregatoren wichtige Kanäle, durch die zahlreiche Besucher auf ihre Artikel aufmerksam werden. Auf die Werbeeinnahmen, die durch Besucher von Google generiert würden, könne und wolle man nicht mehr verzichten.

Welches Gesetz gilt derzeit in Deutschland?

Das Leistungsschutzrecht wurde in Deutschland 2013 eingeführt und ist nach wie vor gültig. Gebracht hat es aber wenig: Viele Verlage haben mehr an Prozesskosten gezahlt, als Sie an Lizenzzahlungen erhalten haben. Google hat hingegen von vielen Verlagen Gratislizenzen erhalten, um weiterhin deren Inhalte gebührenfrei sammeln und verlinken zu können. Weniger populäre Aggregatoren wurden hingegen vor kaum lösbare Probleme gestellt: Sie mussten in vielen Fällen ihr Geschäftsmodell ändern oder einstellen. Profitiert haben also vor allem große Konzerne, deren Marktmacht eigentlich durch das Gesetz eingeschränkt werden sollte.

Fakt

Auch in Spanien wurde ein ähnliches Gesetz verabschiedet. Dort stellte Google seinen News-Dienst vollständig ein, wodurch die Werbeeinnahmen von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Magazinen rapide einbrachen.

Was ändert sich durch die Anpassung des EU-Urheberrechts?

Nicht wenige Befürworter des EU-Leistungsschutzgesetzes meinen, das Problem dieser nationalen Gesetze liege in der zu geringen Größe der jeweiligen Märkte. Deutschland mit seinen 82 Millionen Einwohnern oder Spanien mit seinen 47 Millionen Bürgern seien für große Konzerne wie Google schlicht nicht relevant genug, um Druck auf die Internetriesen auszuüben. Eine gemeinsame europäische Lösung sei deshalb unverzichtbar.

Welche Auswirkungen könnte das Leistungsschutzrecht in der EU haben?

Die Einführung des Leistungsschutzrechts in der EU könnte mehrere Folgen haben: Mit ziemlicher Sicherheit wird das Informationsangebot für Bürger der europäischen Union dadurch kleiner – entweder, weil Google und andere Aggregatoren ihre News-Angebote einschränken oder weil kleineren Magazinen und Bloggern die Möglichkeit fehlt, Inhalte kostenfrei zu verlinken.

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass das Leistungsschutzrecht höchstwahrscheinlich nicht das geeignete Mittel ist, um unabhängigen und vielfältigen Journalismus zu schützen – in vielen Fällen war sogar das Gegenteil der Fall und Zeitungen brachen Einnahmen weg. Kritiker warnen nicht nur vor einer übermäßigen Bürokratisierung des Internets und der weiteren Stärkung großer Medienkonzerne. Ihrer Meinung nach würde die Einschränkung von Textverlinkungen auch den freien Meinungsaustausch im Internet hemmen.

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